Page 80 - Vinkler, Jonatan, in Jernej Weiss. ur. 2014. Musica et Artes: ob osemdesetletnici Primoža Kureta. Koper: Založba Univerze na Primorskem.
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musica et artes

Besuch kündigte er mit einem Schreiben vom 29. Juni aus Iglau an: »Morgen
früh, wenn nichts dazwischentritt, fahre ich nach Wien und denke übermor-
gen nachmittag (Dienstag) zu Dir nach Perchtoldsdorf hinauszukommen und
dann einige Tage bei Euch zu bleiben. Ich freue mich schon unendlich darauf.«2
In einer ausführliche Anmerkung zu dem Brief aus Iglau vom 20. Juli, in dem
Mahler seinen »tiefgefühltesten Dank für Eure liebevolle Aufnahme ausspri-
cht«3, berichtet Löhr:
Mahler ist am 1. Juli bei uns in Perchtoldsdorf eingetroffen und bis über den 7.

Juli, seinen Geburtstag, geblieben. […] Damals in Perchtoldsdorf gab’s zweierlei im
Vordergrunde, unsre Wanderungen und viele Stunden lang Musik. Die Fenster
meines Zimmers im ersten Stock des Eder-Hauses am Marktplatze waren trotz
Sommerhitze geschlossen, aber drunten standen immer mehr Leute, die staunend
lauschten. Wie wenige heut mehr gibt es, die es wissen, was das bedeutete, damals
Mahler am Klavier.4
Und Löhr schwärmt ausgiebig von Mahlers Virtuosität, die eingebun-
den war in überzeugende Interpretationen. Ab 12. Juli 1891 quartierte sich
Mahler mit seinen Geschwistern in der Hochstraße 25 ein. Es ist ein dreige-
schossiges, im Ursprung spätmittelalterliche Gebäude mit repräsentativer ba-
rocker Fassade. Seine Geschwister blieben bis September. Er selbst reiste nach
einer Woche nach Skandinavien und am 24. August direkt nach Hamburg,
wo er seit April als 1. Kapellmeister am Stadttheater wirkte.
Wolf wechselte ungewöhnlich häufig seine Adressen, allein in Wien
sind uns rund 36 bekannt. Außer einer 1884-87 ausgeübten Kritikertätig­
keit beim wöchentlich erscheinenden Wiener Salonblatt hatte er nie eine fe-
ste Stellung, lebte äußerst bedürfnislos von Klavierstunden und war auf Un-
terstützung angewiesen. Er wohnte zur Untermiete, in Wohngemeinschaften
(u.a. ab Februar 1879 für einige Monate mit seinen Studienkollegen Gustav
Mahler und Rudolf Krzyzanowski5 in einem von ihm gemieteten Zimmer im
4. Stock des Opernringes 23) und vor allem als Gast bei Freunden, Bekann-
ten und Gönnern, da er als Klavierspieler und Interpret der Musik von Ri-
chard Wagner sehr beliebt war. Eine eigene Wohnung bezog er erst 1896 in
der Schwindgasse 3 im 4. Bezirk.

2 Gustav Mahler. Briefe 1879-1911, hg. von Alma Maria Mahler (Berlin - Wien - Leipzig: Paul Zsolnay,
1925), Nr. 19, 28.

3 Ibid.
4 Op. cit., Anm. 13, 475f.
5 Rudolf Krzyzanowski (1859-1911) war in der Saison 1883/84 Kapellmeister am Landschaftlichen

Theater in Laibach, siehe Primož Kuret, Mahler in Laibach. Ljubljana 1881-1882, Wiener Schriften zur
Aufführungspraxis, Sonderband 3 (Wien etc.: Böhlau, 2001), 24f.

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