Page 81 - Vinkler, Jonatan, in Jernej Weiss. ur. 2014. Musica et Artes: ob osemdesetletnici Primoža Kureta. Koper: Založba Univerze na Primorskem.
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hugo wolf in perchtoldsdorf: uber die mörike-lieder

Wolf kannte Perchtoldsdorf zuerst durch seine Aufenthalte bei dem Baurat
Viktor Preuß in den Sommern 1880 und 1882 in Mayerling. Dessen Frau Ma-
ria war eine Schwester von Frau Werner. Wolf hat dann von dort aus die Wer-
ners des öfteren besucht. Er wanderte dabei die mehrstündige Strecke von
Mayerling über die Anhöhen des Wienerwalds. Bei Herbstbesuchen mach-
te Wolf auch bei der Weinlese mit. Über eine Kegelpartie am 29. Mai 1881 im
Garten der Werners schrieb er einige Verse. Der Anfang dieser sechsstrophi-
gen Gelegenheitsarbeit lautet:6

Hätt’ ich ein Wunschhütl,
Wär längst bei Ihnen.
Pedaschturf, Pedaschturf,
Gleich sei’ ma drinnen.

Hutschen und Kegelbahn –
Das ist ja prächtig;
Wenn’s nur was treffen tan,
Scheib’n so verdächtig.

Perchtoldsdorf war Ende des 19. Jahrhunderts ein beliebtes Ausflugsziel
und eine Sommerfrische und deshalb von Wien mit öffentlichen Verkehrsmi-
tteln gut erreichbar. Im November 1883 wurde die Nebenlinie der Südbahn,
die von Liesing über Perchtoldsdorf nach Kaltenleutgeben führte, eröffnet.
Sie ist noch intakt, wird jedoch derzeit nicht befahren. Vor allem diese Ver-
bindung hat Wolf gewählt. Seit 1883 war der Ort auch mit der Dampfstraßen-
bahn erreichbar. Sie fuhr von Hietzing über Mauer nach Rodaun und wurde
am 12. Mai 1887 als Linie 360 bis nach Mödling ausgebaut. Eine Fahrt über
die ganze Strecke dauerte zunächst 80 Minuten, ab 1908 nur noch eine Stun-
de. Die Linie wurde erst am 30. November 1967 eingestellt und die Trasse
abgebaut. Die Wiener Schüler Arnold Schönbergs (1874-1951), der seit April
1918 in Mödling wohnte, kamen auf ihrer Fahrt zum Unterricht durch Per-
chtoldsdorf. Als nach dem Ersten Weltkrieg keine öffentlichen Verkehrsmi-
ttel verkehrten, gingen einige »die 15 km nach Mödling [4 km hinter Perch-
toldsdorf] zu Fuß, an einem Tag hin und zurück, um bei Schönberg Unterricht
zu nehmen«,7 erinnert sich Max Deutsch. Anton Webern (1883-1945) ver-
band eine familiäre Beziehung mit diesem Ort. Sein Sohn Peter war in der

6 Zitiert nach dem Faksimile in Heinrich Werner, Hugo Wolf in Perchtoldsdorf, Persönliche Erinnerun-
gen nebst Briefen des Meisters an seine Freunde Dr. Michael Haberlandt, Rudolf von Larisch und andere,
Deutsche Musikbücherei 53 (Regensburg: Bosse, 1925), nach 48.

7 Zitiert nach Hans H. Stuckenschmidt, Schönberg. Leben. Umwelt. Werk (Zürich - Freiburg i. Br.:
Atlantis Verlag, 1974), 235.

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