Page 147 - Vinkler, Jonatan, in Jernej Weiss. ur. 2014. Musica et Artes: ob osemdesetletnici Primoža Kureta. Koper: Založba Univerze na Primorskem.
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für vier Nobelpreise, vier für ein Kaffeekränzchen, wo solche Rechnung aufgeht,
ist etwas faul im Staat Democracy.“29 Und gerade Adornos Schriften erklärt er
durch die „Macht der Tradition“ in

pessimistisch eingefärbte[r] Restform“: „Adorno schrieb mit veränderten Begriffen
auf, was schon Schiller aufgeschrieben hatte.“30 „Und alles, was der ästhetische Mo-
dernismus […] hervorgebracht hat, ist in der Zeit um 1800 schon gedacht worden,
danach kommen, bis hin zu Adorno, die Variationen. Mit ihnen leben wir noch.31

Damit ist Adorno einer der letzten bedeutenden Vertreter des „Projekts
der Moderne“ mit besonderem Schwerpunkt auf der Musik. Die Auseinan-
dersetzung mit seinen Schriften betrifft somit über 200 Jahre deutscher Gei-
stesgeschichte. Die Kategorie des Fortschritts und das evolutionäre Denken
spielen auch bei Adorno eine große Rolle, letzteres wendet er in erster Li-
nie auf das musikalische Material an und spricht von „der innertechnischen
Evolution“,32 von „evolution of techniques“33 oder „der Evolution der ästheti-
schen Formen“,34 insgesamt ist ihm die „musikalische Evolution“ ein beson-
deres Anliegen.35 Adorno glaubt daran als einen geschichtlich notwendi-
gen Prozess, der sich durch die „Evolution der neuen Musik in der Wiener
Schule insgesamt“ verwirkliche,36 insbesondere im „Evolutionsprozeß “ bei
Schönberg,37 denn „kein anderer Lebender verfügt über solche Fülle; bei kei-
nem anderen hat die musikalische Evolution so vollständig alle Elemente des
kompositorischen Materials, Melos und Harmonik, Kontrapunkt und Form-
konstruktion, Setzweise und Instrumentalklang ergriffen wie bei Schönberg.“38
Er beginne bereits mit der „Evolution des frühen Schönberg“.39 In der Kam-
mermusik, in der Abkehr „vom Pomp der symphonischen Dichtungen seiner
Zeit“ und der Hinwendung zum „verpflichtenden Brahmsischen Quartett-

29 Op. cit., 19.
30 Op. cit., 8.
31 Op. cit., 23.
32 Theodor W. Adorno, „Ästhetische Theorie,“ in Theodor W. Adorno, Gesammelte Schriften, Bd. 7

(Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1970), 12. Im Folgenden Gesammelte Schriften zitiert GS.
33 Theoder W. Adorno u. a., „Studies in the Authoritarian Personality. Introduction,“ in GS 9/1, 173.
34 Theodor W. Adorno, „Noten zur Literatur. Engagement,“ in GS 11, 414.
35 „Musikalische Schriften V. Schönberg: Von heute auf morgen, op. 32 (II),“ in GS 18, 383. – „Musi-

kalische Schriften V. Zum Rundfunkkonzert vom 22. Januar 1931,“ in GS 18, 566. – „Musikalische
Schriften VI. Mai 1929,“ in GS 19, 157.
36 „Musikalische Schriften V. Über einige Arbeiten von Anton Webern,“ in GS 18, 674.
37 „Musikalische Schriften VI. Exposé zu einer Monographie über Arnold Schönberg,“ in GS 19, 610.
38 „Musikalische Schriften V. Berg und Webern,“ in GS 20/2, 782.
39 „Musikalische Schriften V. Zum Rundfunkkonzert vom 22. Januar 1931,“ in GS 18, 568.

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